19.05.2015

Schadensregulierung durch Kfz-Versicherer auch gegen den Willen des Versicherungsnehmers

Wie das Amtsgericht München mit Urteil vom 04.09.2012, Aktenzeichen 333 C 4271/12 erneut bestätigte, darf ein Kfz-Haftpflichtversicherer einen Schadenersatzanspruch, der sich gegen einen bei ihm Versicherten richtet, auch ohne dessen Einwilligung erfüllen, selbst wenn ein Schadensfreiheitsrabatt für den Versicherungsnehmer auf dem Spiel steht. Der Versicherer verletzt seine Rücksichtnahmepflicht nur, wenn er eine völlig unsachgemäße Schadensregulierung durchführt.

 

Im zu Grunde liegenden Fall hatte sich bei der Haftpflichtversicherung des Klägers ein angeblich Geschädigter gemeldet und Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Der Versicherungsnehmer teilte seiner Versicherung hieraufhin mit, dass es seiner Ansicht nach zu keiner Kollision der betroffenen Kraftfahrzeuge und somit zu keinem Unfall, in dessen Regulierung der Haftpflichtversicherer eintreten müsse, gekommen sei. In Bezug auf an der Stoßstange seines Kraftfahrzeuges festgestellte Kratzer wies er darauf hin, dass es sich hierbei um Altschäden handele, die mit einem vom Gegner behaupteten Zusammenstoß nicht in Zusammenhang stehen, da es zu keinem Zusammenstoß gekommen sei.

 

Der Haftpflichtversicherer regulierte gleichwohl und stufte den Kläger in der Haftpflichtversicherung um eine Schadensfreiheitsklasse nach oben. Hiergegen ging der Versicherte ergebnislos vor. Das Amtsgericht München begründete seine ablehnende Entscheidung damit, dass auf Grund der Regelung A.1.1.4  der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherungen der Versicherer durch die ihm erteilte Regulierungsvollmacht dazu bevollmächtigt ist, gegenüber seinem Versicherungsnehmer geltend gemachte Ansprüche in dessen Namen zu erfüllen oder abzuwehren und in diesem Zusammenhang alle zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben. Im Rahmen dieser Verpflichtung habe der Haftpflichtversicherer nach Eintritt des Versicherungsfalles begründete Schadenersatzansprüche zu befriedigen und unbegründete abzuwehren. Ob er freiwillig zahlt, oder ob er die Zahlung ablehnt und es darauf ankommen lässt, ob der geschädigte Dritte seine Ansprüche geltend macht, steht grundsätzlich im Ermessen des Versicherers.

 

Diesem Ermessen sind lediglich dort Grenzen gesetzt, wo die Interessen des Versicherungsnehmers berührt werden und wo diese deshalb die Rücksichtnahme des Versicherers verlangen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn ein Schadensfreiheitsrabatt des

Versicherten auf dem Spiel steht (BGH Versicherungsrecht 1981). Im Rahmen seiner Pflichten ist der Versicherer dabei jedenfalls gehalten, sich ein hinreichend genaues Bild über die Umstände zu verschaffen, aus denen die drohenden Ansprüche hergeleitet werden, die Rechtslage sorgfältig zu prüfen und die Aussichten für eine Abwehr der Ansprüche nach Grund und Höhe möglichst zuverlässig einzuschätzen. Der Versicherer verletzt die sich aus

dem Versicherungsvertrag ergebenden Rücksichtnahmepflichten nur dann, wenn er eine völlig unsachgemäße Schadensregulierung herbeiführt, die vorliegt, wenn die vom Unfallgegner geltend gemachten Ansprüche nach den gegebenen Beurteilungsgrundlagen

eindeutig und leicht nachweisbar unbegründet bzw. offensichtlich unbegründet sind.

 

Hierbei steht dem Versicherer insbesondere bei zweifelhafter Sach- oder Rechtslage ein gewisser Ermessensspielraum zu. Hiernach handelt der Versicherer weder unsachgemäß noch pflichtwidrig, wenn er in Zweifelsfällen Ersatz leistet um zeitraubende und aufwendige Ermittlungen zu ersparen und das Risiko eines Prozesses zu vermeiden, selbst wenn er dabei Ansprüche befriedigt, die möglicherweise ungerechtfertigt sind.

 

Bei der Bewertung der geltend gemachten Ansprüche ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Versicherers abzustellen. Danach hat der Versicherer sein Ermessen nur dann offensichtlich falsch ausgeübt, wenn es von Vorherein als völlig unvernünftig angesehen werden musste, dass er dem Dritten Ersatz leistet.

 

Im vorliegendem Fall hatte sich der Versicherer gut fünf Monate für die Regulierung Zeit gelassen und durch Anhörung der Beteiligten sich auch hinreichende Klarheit über die behaupteten Schäden an den Kraftfahrzeugen verschafft. Es erschien, so das Amtsgericht München, daher nicht völlig unangemessen, eine Schadensregulierung durchzuführen. Auch war der Versicherer aufgrund der niedrigen Schadenshöhe von 1.385,92 € nicht darauf zu verweisen, ein teures Sachverständigengutachten im Hinblick auf die Schadenkompatibilität einzuholen und sich auf einen Rechtsstreit einzulassen.