31.03.2014

Keine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG bei Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten

In einem Beschluss des Oberlandesgerichtes Hamm vom 31.01.2008, Az.: 1 VAs 9/99, hat dieses festgestellt, dass eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG nicht für Straftaten von Drogenkonsumenten in Betracht kommt, wenn diese Taten nur anlässlich, aber nicht auf Grund der Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden. Vielmehr ist ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen einer Betäubungsmittelabhängigkeit im Sinne des BtMG und der Straftat erforderlich. Auf die Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten findet § 35 BtMG keine Anwendung.

Der Betroffene hatte seiner Bekannten 6 Messerstiche in den Bauch- und Brustbereich versetzt, weil sich das Opfer verweigert hatte, für ihn weitere Flaschen Weizenbier zu kaufen. Während der Tat stand der Betroffene unter Alkoholeinfluss. Die ihm nahezu zwei Stunden nach der Tat entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,32 o/oo, wobei eine maximale Blutalkoholkonzentration von 1,87 o/oo nicht ausgeschlossen werden konnte. Vor der Tat hatte der Betroffene außerdem Valium und Tramal eingenommen, eine mäßig bis stark schmerzstillende Substanz, die geeignet ist, stimmungsverändernd zu wirken. Die Mischintoxikation von Alkohol und Medikamenten hatte eine leichtere Reizbarkeit sowie eine Situationsverkennung bewirkt. In der Hauptverhandlung hatte sich der Betroffene zum Konsum von Suchtmitteln im Übrigen dahingehend eingelassen, dass er seit 1993 gelegentlich Heroin konsumiere. Das Landgericht hat den Betroffenen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Weil der Angeklagte auf Grund seiner Persönlichkeit dazu neigt, nach erheblichem Alkoholkonsum auftretende Probleme durch Aggressionsausbrüche „zu lösen“, wurde die Unterbringung des Betroffenen in einer Entziehungsanstalt gemäß § 54 StGB angeordnet. Nach teilweisem Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe befindet sich der Betroffene inzwischen im Vollzug der Unterbringung nach § 64 StGB. Der Betroffene hat die Zurückstellung der Vollstreckung gem. § 35 BtMG beantragt. Dabei brachte er vor, dass seine Tat mit seinem langjährigen Heroinkonsum von 1,5 g pro Tag in Zusammenhang stehe. Am Morgen des Tattages habe er als Ersatzstoff eine Alkohol-Tabletten-Kombination eingenommen, die dann zur Tat geführt habe.

Gemäß § 35 Abs. 1 BtMG kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als 2 Jahren zum Zwecke einer Therapie zurückgestellt werden, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt oder sonst feststeht, dass die Tat aufnbsp Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden ist.

Dem Urteil ist eine Abhängigkeit des Betroffenen von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG nicht zu entnehmen. Der Betroffene hat hierzu lediglich eingeräumt, seit 1993 gelegentlich Heroin zu konsumieren.

Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG kommt auch schon deshalb nicht in Betracht, weil es offensichtlich an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen einer Betäubungsmittelabhängigkeit im Sinne des BtMG und der Straftat fehlt. Ein solcher Zusammenhang ist nur dann gegeben, wenn die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht weg gedacht werden kann, ohne dass die Straftat als Folge entfiele. Daraus folgt, dass eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG nicht für alle Straftaten von Drogenkonsumenten in Betracht kommen kann, wenn diese Taten nur anlässlich, aber nicht auf Grund der Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden. Nach der Beurteilung des im Strafverfahren gehörten Sachverständigen ist bei dem Betroffenen nach erheblichem Alkoholkonsum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er zu Gewaltausbrüchen gegenüber Dritten neige. Damit kann sicher festgestellt werden, dass der vorangegangene Alkoholkonsum und die Einnahme von Medikamenten voraussichtlich für die vom Betroffenen begangene Straftat ursächlich waren. Dem Umstand, ob der Betroffene am Morgen des Tattages in geringfügigem Umfange möglicherweise Heroin konsumiert hatte, kommt deshalb keine wesentliche Bedeutung mehr zu. Auf die Abhängigkeit des Betroffenen von Alkohol und möglicherweise von Medikamenten findet § 35 BtMG jedoch keine Anwendung.

Die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG ist von einer Vielzahl von Voraussetzungen abhängig. Ein wesentliches Kriterium stellt das Vorliegen eines unmittelbaren Kausalzusammenhanges zwischen Abhängigkeit und Straftat dar. Weitere Voraussetzung ist, dass die Tat mittelbar oder unmittelbar zur Beschaffung von Drogen zur Befriedigung der eigenen Sucht verübt wird. Denn durch die Zurückstellung der Strafvollstreckung soll dem Täter eine Drogentherapie ermöglicht werden, um vergleichbaren Straftaten der rauschbedingten Beschaffungskriminalität für die Zeit nach der Vollstreckung entgegenzuwirken. Dementsprechend scheidet eine Anwendbarkeit des § 35 BtMG in Fälle, wie dem vorliegendem, aus, soweit die Tat weder durch Betäubungsmittel im Sinne des BtMG bedingt war noch auf die Beschaffung solcher Betäubungsmittel gerichtet war.