31.03.2014
Keine pauschale Abgeltung von Beifahrerzeiten – Zum Begriff der Arbeit
Das BAG hat sich in einer Entscheidung vom 20.04.2011 (Az.: 5 AZR 200/10) zur Vergütungspflicht für Arbeit geäußert und nebenbei eine Klarstellung des Begriffes „Arbeit" vorgenommen.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Vergütung von Beifahrerzeiten. Der Kläger ist Kraftfahrer und im Werksfernverkehr eingesetzt. Dabei wechseln sich auf den bis zu 30-stündigen Fahrten zwei bis drei Fahrer ab.
Im Arbeitsvertrag des Klägers ist u. a. geregelt, dass die Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen, die Ruhezeiten sich nach den Bestimmungen einer EU-VO richten. Im Übrigen sollte sich die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz richten.
Reisezeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit anfallen, sollten mit der zu zahlenden Vergütung abgegolten sein.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Zeiten als Beifahrer nicht zu vergüten sind. Nach §nbsp21 a Abs. 1 Nr.3 ArbZG sei die im Mehrfahrerbetrieb während der Fahrt neben dem Fahrer oder in der Schlafkabine verbrachte Zeit keine Arbeitszeit und somit nicht zu vergüten. Dies folge auch aus der richtlinienkonformen Auslegung der Norm. §nbsp21nbspa Abs. 3 ArbZG diene der Umsetzung einer Richtlinie deren Ziel auch die Angleichung von Wettbewerbsbedingungen sei.
Entscheidung
Das BAG (wie auch die Instanzgerichte) hat dem Kläger dienbspVergütung für die Beifahrerzeiten zugesprochen.
Die Klausel im Arbeitsvertrag, dass die Reisezeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit anfallen, mit der Vergütung abgegolten sind, ist wegen mangelnder Transparenz unwirksam. Einer Kontrolle anhand der §§ 307 Abs. 1, 3 BGB halte sie nicht stand.
Nach § 307 Abs. 1 BGB seien Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bedingung nicht klar und verständlich geregelt ist. Es dürfen für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume offen bleiben. Eine die pauschale Vergütung von Reisezeiten regelnde Klausel sei nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche „Reisetätigkeit" von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll. Der Arbeitsvertrag enthalte keine klare und verständliche Regelung, was die normale Arbeitszeit ist, dem Arbeitnehmer ist nicht erkennbar, was „auf ihn zukommt" und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Nicht einmal die „normale Arbeitszeit" wird im Vertrag hinreichend deutlich in Stunden festgehalten. Der Vertrag verweise lediglich auf die Bestimmungen einer EU-VO und das Arbeitszeitgesetz.
Gänzlich offen lasse die Klausel, welchen Inhalt der Verwender dem Begriff der Reisezeit beimisst, insbesondere fehle die Abgrenzung von Reisezeiten ohne und mit Arbeit i. S. v. § 611 Abs. 1 BGB. Auch ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag nicht, welchen Umfang die ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Reisezeiten haben sollen.
nbsp
Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers sei unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringe. Ausschließlich entscheidend sei, ob der Kläger mit dem Verbringen der Zeit während der Fahrt neben dem Fahrer oder in der Schlafkabine vertraglich geschuldete Arbeit erbracht habe.
Arbeit sei auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause iSd ArbZG noch Freizeit habe. Die als Beifahrer verbrachte Zeit sei daher vergütungspflichte Arbeitszeit. Auch schließe § 21a Abs. 3 Nr. 3 ArbZG die Vergütungspflicht nicht aus, da die Vorschrift keine Modifizierung dahingehend enthält, was Arbeit ist.
Der Ausschluss der Vergütungspflicht für Beifahrer i. S. v. § 21 Abs. 3 Nr. 3 ArbZG lasse sich auch nicht aus dem Unionsrecht begründen. Weder Wortlaut noch Zielsetzung der Richtlinie bietet Anhaltspunkte dafür, die Richtlinie regle Vergütungsfragen. Zweck sei es, Mindestvorschriften für die Gestaltung der Arbeitszeit festzulegen, um die Sicherheit und Gesundheit der im Straßentransport Tätigen zu schützen.
Da somit die Zeiten als Beifahrer als Arbeitszeit zu vergüten sind und zwischen den Parteien für die Zeiten als Beifahrer keine gesonderte Vergütung vereinbart gewesen war, hat der Kläger Anspruch auf Vergütung nach der übrigen Bruttolohnvereinbarung der Parteien.
nbsp
Das BAG setzt die bisherige Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgebot anhand der Regelungen des § 307 Abs. 1, 2 BGB fort. Bei der Verwendung solcher Klauseln müssen daher die Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine Beurteilungsspielräume mehr bestehen.
Sollten Sie als Arbeitnehmer ähnliche Klauseln in Ihrem Vertrag finden oder als Arbeitgeber eine rechtssichere Vertragsgestaltung wünschen, können Sie sich gern an unsere Kanzlei wenden.
Hinweis:
Mit dieser Entscheidung bestätigt das BAG die Rechtsprechung zu Pauschalklauseln in Arbeitsverträgen.
nbsp